Wenn ein geliebter Mensch stirbt, sind die Erinnerungen an ihn das Einzige, was zurück bleibt. Durch sie leben sie in uns weiter. Unsichtbar, aber doch anwesend. Sie halten zusammen, was getrennt wurde und sind wie kleine Wärmflaschen für unser Herz. Wenn unsere Kinder gehen, bevor sie richtig da waren, sind Erinnerungen rar. Wir können uns an die Zeit mit ihnen im Bauch erinnern und an ihre Geburt. Vielleicht hatten wir sogar ein paar Stunden, Tage mit ihnen. Aber verglichen mit einem ganzen Leben, bleibt nicht viel zum Festhalten. Umso wichtiger ist es, so viele Erinnerungen wie möglich zu schaffen. Unendlich kostbar sind die Bilder, die wir von Lennis haben. Das eine kurze Video von ihm, sind die einzigen Sekunden, die ich ihn je lebend sehen konnte. Wenn man von seinem Kind nichts weiter hat als Fotos, sind wenige Sekunden bewegter Bilder so unbezahlbar. Ich kann sogar seine kleine Stimme hören… Es sind diese wenigen Bilder, durch die sein Gesicht in meinen Erinnerungen nicht verblasst und ich bin so froh, sie zu haben.
Der Bestatter hat auf unseren Wunsch Hand-und Fussabdrücke von Lennis gemacht. Sie sind aus Silikon und irgendwann werde ich sie füllen. Momentan fehlt mir aber noch eine Idee, was genau ich damit machen möchte. Es hat keine Eile. Sie sind da und keiner kann sie mehr nehmen.
Wir haben auch Fotos von Lennis in der Aufbahrung machen lassen. Es war für mich der schlimmste und schmerzhafteste Moment. Bis dahin war alles eher wie ein schlechter Traum. Aber als ich dieses winzige Zimmer beim Bestatter betrat, schlug die Realität zu. Das eigene Kind in diesem kleinen Sarg liegen zu sehen, ist ein Schmerz, den ich nicht beschreiben kann. Dafür gibt es keine Worte. Die Erinnerungen an diesen Moment liegen in meinem Schrank. Ich mag die Fotos nicht. Lennis kleiner Körper sieht überhaupt nicht mehr dem Kind auf unseren Fotos ähnlich. Aber trotzdem bin ich froh sie zu haben, denn es wird nie wieder die Chance geben Fotos zu machen. Also nehme ich lieber jede Möglichkeit wahr Erinnerungen zu schaffen. Einige sind weit hinten vergraben, aber sie sind da. Für den Moment, an dem ich sie besser ertragen kann.
Ich wünsche mir von Herzen, dass uns Sterneneltern niemand mehr sagt, dass wir aufhören sollen, uns an den Erinnerungen an unsere Kinder festzuhalten. Dass wir loslassen müssen und weitergehen. Ich wünsche mir, dass sie verstehem, dass wir nicht loslassen müssen. Die Erinnungen an unsere Kinder dürfen uns immer begleiten. Sie sind ein Teil von uns und werden es immer bleiben. Egal wo sie sind, sie sind unsere Kinder. Ihr Leben mag begrenzt gewesen sein, doch die Erinnerung an sie ist unendlich…
Liebe Franzi!
Meine Therapeutin sagt immer, dass es nicht gut ist, zurück in das Trauma zu gehen und dass ich versuchen soll, die Bilder weder anzuschauen, noch vor meinem inneren Auge erscheinen zu lassen. Sie sagt, dass mich das zurückwerfen würde und das wäre nicht gut. Es fühlt sich so so falsch an, wenn sie das sagt. Denn ihre Bilder und meine Erinnerungen an sie, sind doch alles, was ich von Tilda habe. Ich kann das doch nicht einfach beiseite schieben… Das würde mir mein Herz nochmal brechen…
Ach meine liebe Anna, das ist so traurig und falsch in meinen Augen. Warum sollten wir unsere Kinder nicht mehr ansehen dürfen? Warum solltem wir sie aus unserem Leben streichen? Es ist doch viel schöner ihnen einen Platz zu geben. Sie zu integrieren. Bitte tu das, was sich für dich richtig anfühlt. Fühl dich fest gedrückt!