Fragezeichen

Fragezeichen

Geschrieben von Franzi

10. Januar 2019

Immer wenn man denkt, man hat es grad total im Griff und man ist bei sich und in der Balance, kommt von irgendwo ein Hammer her, haut dich einfach um und hinterlässt mehr Fragezeichen als vorher da waren. So geschehen nur Minuten nach meinem Neujahrs Post gestern. Das sind so die Momente, wo man sich so furchtbar naiv vorkommt. Da schreibe ich von „Frieden gefunden“ und „das Gefühl von Verlorensein ist weg“, nur um mich dann nach einem Anruf vom Staatsanwalt auf der Toilette im Geschäft zu verkriechen, um mich nicht im Büro in Tränen auszubrechen.

Es war der Anruf, auf den wir schon so lange gewartet haben. Ein Gutachter in Bern hat den ganzen Fall genau untersucht, um zu schauen, ob jemand einen Fehler gemacht hat. Sie sind nun zu dem Schluss gekommen, dass im Paracelsus alles ordnungsgemäss gehandhabt wurde. Ein Fehler auf Seiten der Ärzte oder Hebammen konnte nicht gefunden werden. Er hat die vage Vermutung aufgestellt, dass eine Luftembolie zu Lennis Tod geführt haben könnte. Der Fall wird nun abgeschlossen. Es wird nicht weiter gesucht. Auf der einen Seite bin ich froh, dass den Ärzten kein Fehler unterlaufen ist. Aber doch bleiben so unheimlich viele Fragezeichen zurück. Wie entsteht eine Luftembolie? Woher kam sie? War das wirklich der Grund? Der letzte Staatsanwalt sagte uns, dass Lennis laut Obduktionsbericht nicht ganz gesund war, aber nichts als Ursache für seinen Tod in Frage kommt. Was bedeutet das? Was hatte er? Was ist mit unserem Kind passiert??

Der Staatsanwalt hat uns auch mitgeteilt, dass bei der Autopsie leider ein Fehler passiert ist. Man hat vergessen, Lennis´ Gehirn zu untersuchen. Das ist natürlich „ungünstig und ärgerlich“, um es mit den Worten des Staatsanwaltes zu sagen. Soll heissen, wir werden es nie wissen. Selbst wenn eine Luftembolie durch jemanden ausgelöst wurde (um nur eine Möglichkeit zu nennen, die Dr. Google angibt), wird es nie nachgewiesen werden können. Der Fall wird einfach geschlossen. Zusammen mit all seinen Fragezeichen.

Ich hab immer gedacht, dass wir endlich abschliessen können, wenn der Fall bei der Staatsanwaltschaft abgeschlossen wird. Natürlich wusste ich, dass es auch ungelöst bleiben kann. Aber jetzt wo es so ist, finde ich keine Ruhe. Wie soll ich „abschliessen“, wenn eigentlich alle Fragen noch offen sind? Wie soll ich das Gedankenkarrussel in meinem Kopf zum Stillstand bringen? Ich fühle mich so hilflos. Es ist so schwer nicht zu wissen warum Lennis nicht bleiben durfte.

Heute haben wir einen Termin beim Staatsanwalt. Wir werden die ganze Akte durchgehen. Das wird sicher nicht einfach. Der Obduktionsbericht enthält jedes Detail, was mit Lennis kleinem Körper gemacht wurde. Aber trotzdem möchte ich einfach gerne wissen, was dort herausgefunden wurde. Ich werde die Berichte dann kopieren und einer befreundeten Ärztin geben, um mir beim Lesen zu helfen.

Ich bin nervös…

3 Kommentare

  1. Viel Kraft für alles ?

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  2. Liebe Franzi
    Wie gut verstehe ich deine Gefühle. Der Tag der Akteneinsicht wirbelt fleich alles wieder umher und lässt alle Gefühle und Bilder auf Knopfdruck wieder aufsteigen…
    Ich habe meine kleine Leyla überraschend in der 37.SSW still geboren. Alles ging so schnell, dass wir es nicht einmal ins Krankenhaus geschafft haben und ich zu Hause geboren habe. Die gleich nach der Geburt eintreffende Sanität konnte dann leider nur den Tod der kleinen Maus feststellen… Da bei der Geburt kein Arzt anwesend war, wurde automatisch der Staatsanwalt eingeschaltet und eine Obduktion durchgeführt.
    Zum Glück mussten wir „lediglich“ 4 Monate warten bis wir die Akten einsehen durften. Aber auch dies kam mir wie eine Ewigkeit vor… Ich habe dann nach langem Betteln eine Kopie des Berichts erhalten und habe das Angebot der Uniklinik angenommen, mit dem Chefarzt der Frauenklinik sowie mit einer erfahrenen Hebamme Fragen zum Bericht gemeinsam zu besprechen. Auch wenn mir nicht alle Fragen zu 100% beantwortet werden konnten, so konnten sie mir doch einige Schuldvorwürfe nehmen und einige Fragen beantworten.
    Ich rate Dir daher dringend, den Bericht mit einer Fachperson durchzugehen und finde es toll, dass Du dafür gar eine befreundete Ärztin hast. Sollte sie keine Frauenärztin sein rate ich Dir in einem Unispital nachzufragen, ob Du eine Möglichkeit hättest, die Unterlagen zu besprechen. Auch wenn wohl nicht alle Fragen beantwortet werden können, so können aber vielleicht einige geklärt oder zumindest abgeschwächt werden…
    Ich hoffe, ihr habt den Termin beim Staatsanwalt so gut es eben geht überstanden und bereits jetzt etwas Klärung erhalten…
    Drücke Dich ganz doll und bedanke mich für deine stets ehrlichen Worte in deinem Blog.

    Herzlichst,
    Corine

    Antworten
    • Liebe Corine, herzlichen Dank für deinen Kommentar und das Teilen deiner so traurigen Geschichte. Es tut mir so leid, dass du deine Leyla auch ziehen lassen musstest und dann auch noch so traumatisch. Es ist nicht fair… Vielen Dank für deine Ratschläge. Ich konnte schon ein paar Gespräche führen und werde mich auf jeden Fall noch mit der Kinderärztin treffen, die damals mit dabei war. Ich möchte gerne wissen, was die Konsequenzen für Lennis gewesen wären, wenn er überlebt hätte. Es findet langsam alles seinen Platz, auch wenn viele Fragen immer noch offen sind. Ich werde demnächst einen Artikel dazu schreiben. Ich musste erstmal alles für mich sortieren.
      Ganz lieben Dank nochmal. Herzensgrüsse, Franzi

      Antworten

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  1. Antworten oder auch nicht - Besuch beim Staatsanwalt - Still she rises - […] meinem letzten “Fragezeichen” Artikel habe ich viele tröstende Kommentare und Mut machende Worte von verschiedensten […]

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