Die Angst in meiner Folgeschwangerschaft und wie ich mit ihr umgegangen bin
Folgeschwangerschaft nach Verlust
Eine Folgeschwangerschaft nach Verlust ist alles andere als ein leichter Weg. Schon die Entscheidung dafür kann herausfordern. Die Sehnsucht nach dem Sternenkind ist gross. Man möchte es auch nicht ersetzen. Vielleicht ist die Angst vor einem weiteren Verlust zu gross oder die Trauer noch zu allumfassend. Es braucht Mut und Vertrauen. Wobei vor allem letzteres angeknackst sein kann. Man hat das Schicksal nicht in der Hand und keine Kontrolle. Was bleibt ist die Hoffnung auf und die Sehnsucht nach einem Baby. So ist für viele Sternenmamas eine Folgeschwangerschaft ein grosses Thema.
Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Folgeschwangerschaft?
An der Frage, wann man nach einem Verlust wieder schwanger werden kann, scheiden sich aber irgendwie auch die Geister. Die einen meinen, man sollte mindestens ein Jahr warten. Woher dieses Jahr kommt, weiss ich nicht genau. Vielleicht orientiert es sich am altbekannten (und für mich eher ominösen) Trauerjahr?
Andere sagen, man sollte erst schwanger werden, wenn man nicht mehr traurig ist bzw. “darüber hinweg ist”. Mit der Begründung, das das Folgebaby die Traurigkeit spüren würde und das nicht gut wäre. Ein Argument, das für mich nicht hinkommt. Denn die Trauer um das verlorene Kind wird uns ein Leben lang begleiten, genauso wie die Liebe zu ihm. Was heissen würde, wir dürften nie wieder schwanger werden.
Und dann gibt es die, die sagen, dass man auf sein Bauchgefühl hören sollte, nachdem man dem Körper zumindest etwas Zeit zur Rückbildung und seelischen Erholung gegeben hat. Ich gehöre definitiv zu den Vertretern letzterer Gruppe, denn ich bin den anderen begegnet und weiss wie sich die verschiedenen Argumente in meinem gebrochenen Herzen angefühlt haben.
Ich wusste es genau 24 Stunden später
Ich höre es noch ganz genau. Es muss noch vor dem OP-Saal gewesen sein oder vielleicht auch als wir zurück im Gebärsaal waren. Es war auf jeden Fall sehr zeitnah nach Lennis Tod, das mein Mann leise zu meiner Hebamme sagte: “Dann kann ich ja jetzt mein Mädchen haben.” (er hatte sich immer eine Tochter gewünscht). Ich hatte ihn gehört und gedacht, dass er wohl total spinnt. Ich wollte NIE wieder schwanger werden oder nochmal neun Monate schwanger sein und am Ende Wehen haben. NIE wieder!
Aber es dauerte nur eine Nacht und am nächsten Morgen waren meine Arme und mein Herz so leer, dass ich am liebsten sofort wieder schwanger geworden wäre. Ich wollte es unbedingt und zwar direkt, sofort, hier und jetzt! Die Chefärztin im Spital meinte dann zu mir, dass ich auf Grund des Kaiserschnittes ein Jahr warten müsse und das war wie ein Schlag ins Gesicht. Ich sagte nur “Nein!”. Eine Hebamme riet mir zu neun Monaten warten, aber auch das war unvorstellbar.
Letztendlich habe ich meine Hebamme und meine Frauenärztin so lange belagert, dass wir uns auf drei Monate Wartezeit einigten und das Folgekind dann zu uns kommen lassen würden. Wenn ich und mein Körper bereit sind, würde es kommen. Das war okay für mich. Das Universum sollte entscheiden, niemand anders.
Drei Monate Wartezeit
Drei Monate hatte ich nun und ich wusste, dass ich diese Zeit sinnvoll nutzen müsste. Ja, ich wollte schnell wieder schwanger werden, aber ich wusste, dass ich auch meine Trauer verarbeiten musste (damals dachte ich noch, dass man drüber weg kommen muss…tssss). Nach zwei wenig hilfreichen Sitzungen bei einem Psychologen, habe ich eine wunderbare Trauerbegleiterin gefunden. Ich bin jede Woche zu ihr und wir haben uns intensiv durch die tiefen Täler der Trauer gearbeitet. Auch zu Hause habe ich mir täglich bewusst Zeit für mich und Lennis genommen. Ich habe auch sehr auf eine gesunde Ernährung geachtet und versucht mich so viel wie möglich zu bewegen. Ich wollte dem Regenbogenbaby ein gutes Zuhause bieten.

“Du bist zwei Tage drüber. Jetzt mach einen Test!”
Irgendwann war es soweit und wir durften es wieder “probieren”. Ich kannte meine Fruchtbarkeitsapp ziemlich gut, auch wenn ich versuchte, sie zu ignorieren. Und ich ahnte, dass ich überfällig war. Ich spürte auch früh, dass es geklappt hatte. Aber ich hatte eine riesen Angst, dass es nur eingebildet war.
Meine Nachbarin meinte dann, dass ich doch schon überfällig bin und endlich testen solle. So stand ich dann also in der Apotheke, mit dem Test in der Hand, Tränen im Gesicht und war überzeugt, wenn ich den Test jetzt kaufe, bekomme ich meine Tage. Sofort, hier in der Apotheke. Ich war total überfordert und rief heulend meine Hebamme an. Sie sagte mir, ich solle in ihre Praxis kommen. Dort pieselte ich auf den Test, legte ihn auf Kopf auf das Waschbecken und verkroch mich auf die Couch. Meine Hebamme ist klasse, die kennt ja nichts. Sie ging direkt ins Bad und kam breit grinsend wieder raus. Der Test war dick und fett positiv.
Vorhang auf für den Sturm der Gefühle
Was dann passierte war sprichwörtlich ein Sturm der Gefühle: ich lachte, heulte, trauerte, hatte plötzlich riesen Angst, Sehnsucht nach Lennis, wollte das alles nicht, freute mich riesig und dachte gleichzeitig: “Oh shit, jetzt musst du wirklich alles nochmal machen. 9 Monate schwanger und dann Geburt. Ohne mich, ich bin raus!”
Meine Hebamme und ich riefen gemeinsam meinen Mann an und heulten alle drei Freuden-und Trauertränen. Es ist ein Moment, den ich nie vergessen werde. Diese geballte Ladung an Gefühlen kam so unerwartet und ich wusste sofort, es würde ein harter Weg vor mir liegen.
40 lange Wochen mit der Angst im Nacken
“Wie hast du die Folgeschwangerschaft überstanden?” fragen mich viele und ich kann gar nicht genau sagen wie. Die Angst war eine stete Begleiterin und Anfangs nervte sie mich extrem. Mir wurde von mehreren Seiten gesagt, ich dürfe jetzt keine Angst haben, da das Baby das spürt und das nicht gut ist. Das machte mir so ein schlechtes Gewissen. Aber irgendwann dachte ich mir, wenn mein Kind meine Gefühle so gut spüren kann, dann merkt es doch sicher auch, wenn ich krampfhaft versuche sie zu verdrängen. Für wie authentisch hält es mich dann wohl und was lebe ich ihm damit vor?
Gespräche mit meinem Regenbogenbaby
Für mich war das eine ganz wichtige Erkenntnis und der erste Schritt, mich meiner Angst zuzuwenden. So begann ich mit meinem Baby zu sprechen und ihm zu erklären was los ist. Ich sagte ihm, dass wir uns so sehr freuen, dass es da ist, wir aber gleichzeitig so Angst haben, dass es wieder gehen würde, wenn wir uns zu sehr freuen. Ausserdem erzählte ich ihm, dass wir seinen Bruder im Himmel sehr vermissen, das aber die Freude über sein kleines Leben in meinem Bauch in keiner Weise schmälert.
Das auszusprechen, ehrlich zu sein, zu sich selber und seinem Baby, war so unendlich erleichternd. Es hatte mir das Schuldgefühl genommen, das ich in der Folgeschwangerschaft mit mir trug.
Hand in Hand mit meiner Angst
Die Angst sass mir aber trotzdem immer wieder im Nacken. Ich konnte in der Zeit auch meinen Blog nicht schreiben. Ich hatte so Angst, dass in dem Moment, in dem ich meine Schwangerschaft verkünde, ich das Baby verlieren würde. Das klingt vielleicht ziemlich verrückt und das wusste ich auch. Aber es war einfach so. Ich konnte auch nichts für das Baby kaufen oder mich komplett auf die Schwangerschaft einlassen. Es war immer eine verhaltene Freude. Nur nicht zu sehr freuen und vergessen, was alles passieren kann. Ich hatte Angst, für jedes bisschen zu viel Freude, bestraft zu werden. Das ist anstrengend. Vor allem, wenn im Umfeld alle sagen, dass man sich doch endlich freuen soll. Es würde schon nichts passieren. Eine Garantie dafür konnte mir allerdings niemand geben…
So blieb auch hier nur anzunehmen, was da an Angst, Sorgen und Gefühlen war. Wie hätte ich auch keine Angst haben können? Ich konnte meine Angst ja so gut verstehen. Sie hat mit mir den Verlust von Lennis erlebt und wollte mich nur vor weiterem Unheil beschützen. Eigentlich war das noch ganz nett von ihr. Dieser Gedanke half mir. Ich musste sie nicht verteufeln. Eigentlich war es so verständlich, das sie in der Folgeschwangerschaft da war und ich hatte Mitleid mit ihr. Wie konnte ich sie nur so verfluchen? Sie hatte Angst um uns und den Weg konnten wir nur Hand in Hand gehen.
Bauch vs. Kopf
Ich habe in dieser Folgeschwangerschaft sehr viel gelernt. Über mich und meine Emotionen und das ich okay bin, so wie ich gerade bin. Ich musste lernen bei mir zu bleiben, in meinem Bauchgefühl und mich nicht von den Ängsten in meinem Kopf leiten zu lassen. Vor allem, wenn auch viele um mich herum mir Angst machen. Das fing schon damit an, dass so viele meinten, ich solle diesmal in eine Uniklinik mit Neo gehen. Aber ich wollte das nicht. Alles in mir sträubte sich dagegen. Ich wollte Sicherheit, aber ich wollte mich auch aufgehoben und geborgen fühlen. Und dieses Gefühl bekam ich nur in dem Spital, in dem auch Lennis geboren wurde. Wo alle uns kannten.
Natürlich machte mir auch die Kaiserschnittnarbe Angst. Würde sie halten? Schaffen wir 40 Wochen Schwangerschaft? Was ist, wenn sie reisst? Es war gar nicht so einfach, in solchen Momenten bei mir zu bleiben und in mir selber das Vertrauen zu finden, das mir so abhanden gekommen ist.
“Sie umgibt so eine Ruhe, ich glaub sie schwebt.”
Ich hatte zum Glück eine wunderbare Frauenärztin. Kennst du Frauen, die so eine Ruhe und Sicherheit ausstrahlen, das man sich am liebsten an sie anlehnen und bei ihnen sitzen würde? Genau so eine, ist meine Gynäkologin. Sie hat so eine Ruhe an sich, dass man das Gefühl hat, sie würde schweben. Und genau das brauchte ich.
Sie war es auch, die meinte, wir würden eine natürliche Geburt anstreben. Auch wenn ich das nie für möglich gehalten hätte, nach dem Kaiserschnitt. Sie schaffte es, mich immer wieder zu erden und zeigte mir, wie ich bei mir bleiben kann. Jedes Mal, wenn die Angst kam, schaute ich sie mir an, begegnete ihr mit Verständnis und spürte tief in mich hinein. Dahin, wo eine Stimme, mir immer wieder sagte, dass alles gut werden würde.
Gemeinsam mit meiner Frauenärztin bereiteten wir die Geburt vor. Sie sollte in dem Spitals stattfinden, in das es mich zog: ins Paracelsus Spital. Ich stellte alle meine Fragen, sprach vorsichtshalber mit der Anästhesistin, erstellte den Geburtsplan mit den Hebammen und machte ganz deutlich: Ohne meine Frauenärztin würde ich es nicht natürlich probieren und oberste Priorität ist es, das Kind lebend zu Welt zu bringen. Eine natürliche Geburt war nebensächlich.
361 Tage nach Lennis Tod
Und dann war es soweit. Die erste richtige Wehe und ich wusste es geht los. Meine Ärztin hatte ich auf Kurzwahl und rief sie sofort an. Wir trafen uns 30 Minuten später im Spital. Die Wehen musste ich schon ziemlich veratmen, sie waren aber noch sehr gut aushaltbar. Ich war etwas ernüchtert, als die Hebamme mir sagte, ich wäre erst 2 cm eröffnet. Da kam auch die Angst durch die Tür. Würde meine Narbe das aushalten? Schaffen wir das?
Dann kam meine Ärztin. Sie sass neben mir am Bett und hielt meine Hand. Sie war einfach nur da. Ich hielt mich an ihrer Ruhe fest. Wir redeten nur wenig und es dauerte keine halbe Stunde, dass ich einen Druck nach unten verspürte. Meine Ärztin schaute nach und ich war voll eröffnet. Ich konnte es absolut nicht glauben. Meine erste Geburt dauerte 18 Stunden und die zweite 5 Stunden. Ich sah meinen Mann völlig ungläubig an.
Schnell liessen wir das Wasser in die Wanne. Ich hatte noch immer keine grossen Schmerzen, konnte alle Wehen gut veratmen. Ich ging in die Wanne, lehnte mich vorne über und mein Körper machte alles von alleine. Kein Gepresse, nur ein sanftes Mitschieben. Es ging alles von ganz alleine und ich war ganz in den Prozess versunken. Nach drei Wehen war sie da, ich nahm unser Mädchen selber aus dem Wasser und legte sie mir auf die Brust.
Unser kleines Regenbogenmädchen. 361 Tage nach dem Tod und dem traumatischen Kaiserschnitt war sie da. Im selben Spital, im selben Gebärzimmer, in der selben Wanne, in der ich auch mit Lennis war. Zweieinhalb Stunden von der ersten Wehe bis zur Traumgeburt und auf einmal schloss sich ein Kreis. Es war heilsam und ich weiss, wir hatten ganz ganz viel Hilfe von oben. Anders kann ich mir das nicht erklären.
Was mir in der Folgeschwangerschaft geholfen hat und was dir helfen könnte
- Ein Arzt/eine Ärztin, die/der absolut verständnisvoll und unterstützend ist und Kontrolltermine nach deinem Bedürfnis vergibt.
- Eine gute Beleghebamme oder Doula. Zu ihr könntest du im Wechsel mit der Ärztin gehen. So ist die Wartezeit zwischen den Terminen nicht so lang. Eine Beleghebamme lernt dich gut kennen und kann dich auch zur Geburt begleiten und dich nach der Geburt betreuen.
- Menschen, die zuhören und da sind, ohne grosse Ratschläge. Du darfst Abstand zu Menschen halten, die dir Angst machen. Das ist okay!
- Begegne deiner Angst mit Mitgefühl und Verständnis. Wenn du dabei Hilfe brauchst, dann schau dir mal mein Workbook “Hand in Hand mit meiner Angst” an.
- Du darfst auch dir selber mit Mitgefühl und Verständnis begegnen. Selbstfürsorge und Selbstmitgefühl sind so wichtig. Wenn du mehr Tipps und Übungen für eine gute Selbstfürsorge suchst, dann habe ich auch da ein Workbook für dich: “Selbstfürsorge in der Trauer”
- Finde in dein Bauchgefühl und versuche ihm zu folgen.
- Meditationen und Affirmationen können dir helfen in die Ruhe und ins Vertrauen zu finden.
- Tausche dich mit anderen aus. Im Facebook gibt es die Gruppe “Ein Bauch voller Gefühle” vom Verein Himmelskind. Die Gruppe ist für Frauen, die schwanger sind nach Verlust oder gerne wieder schwanger werden möchten. Dazu gehören auch Whatsapp-Gruppen und monatliche Austauschtreffen.
- Vergiss nie: Du bist gut, so wie du bist! Trauer, Angst, Neid etc. dürfen ihren Platz haben. Sie sind okay, wenn sie da sind. Begegne ihnen und dir selber mit Mitgefühl. Du weisst selber, was du brauchst und was gut für dich ist. Du bist die Expertin in der Trauer und deiner Folgeschwangerschaft.
- Rede mit deinem Baby im Bauch oder schreib ihm Briefe. Erkläre ihm ganz ehrlich was du fühlst und warum. Verbinde dich dabei bewusst mit ihm.
- Sprich mit deinem/n Kind/ern im Himmel oder schreib ihnen Briefe. Auch sie dürfen ihren Platz haben und sind Teil deiner Familie. Hole dir himmlische Kraft und Unterstützung.
- Wenn du Hilfe brauchst oder einfach mal mit jemandem reden möchtest, dann melde dich bei mir. Schreibe mir per Mail, im Insta oder FB. Ich begleite dich auch in deiner Folgeschwangerschaft, wenn du das möchtest. Klick hier.

Franziska Kern,
Trauerbegleiterin
Nach dem unerwarteten Verlust von meinem kleinen Sohn kurz nach seiner Geburt, habe ich mich zur Trauerbegleiterin ausbilden lassen. Mit meinem eigenen Erfahrungsschatz im Rucksack begleite ich heute Familien, die ähnliches erlebt haben.
Kostenloses Kennenlerngespräch
In einem so schmerzhaften und intimen Thema ist Vertrauen sehr wichtig. Damit ihr meine Arbeit besser kennenlernen könnt, biete ich euch ein kostenloses Erstgespräch von ca. 30 Minuten an.
Nachdem ich meinen Sohn verloren hatte, brach meine Welt zusammen. Ich wusste nicht wohin mit mir und meinen Gefühlen. Mein Mann war überfordert. Niemand konnte mir so richtig helfen. Geschweige denn verstehen. Doch dann trat Franzi in unser Leben. Wir trafen sie in der Akutphase und fühlten uns gleich zu Beginn gehalten. Sie verstand auch ohne Worte. Durch ihre Begleitung, den Visualisierungen unserer Emotionen und den praktischen Übungen, lernten wir mit unserem Verlust umzugehen. Sie hat stets ein offenes Ohr und antwortet immer schnell. Ich war nicht mehr allein und wusste mir endlich zu helfen.
Schreib mir gerne:
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