Kleines Regenbogen-Mädchen – geboren in Liebe und in Trauer!

Regenbogenmädchen

Geschrieben von Franzi

2. Mai 2020

Vor ein paar Tagen habe ich ein Pärchen begleitet, das vor gerade mal einer Woche ihren kleinen Sohn in der Schwangerschaft verloren hatte. Ihre Trauer war so allumfassend und erdrückend schwer, das man sie nahezu greifen konnte. Sie hatte diese beiden wundervollen Menschen komplett umhüllt und hielt sie fest in ihrer Welt.
Ich habe sie gefragt, welche Kraft sie jetzt bräuchten, um den nächsten kleinen Schritt machen zu können. Sie überlegten kurz, aber die Antwort war für beide gleich: Hoffnung! Sie bräuchten die Hoffnung darauf, dass sie irgendwann ein gesundes Kind in den Armen halten dürfen – am liebsten so schnell wie möglich. Das würde ihnen Kraft geben.

 

Regenbogen-Hoffnung

Wie gut konnte ich das verstehen. Ich weiss noch genau, wie ich mich vor knapp drei Jahren fühlte. Arme und Bauch waren so leer und die Sehnsucht unendlich gross. Was mich am Leben hielt, war mein lebender Sohn und die Hoffnung, bald wieder schwanger werden zu dürfen. Es war genau diese Hoffnung, die mich weitermachen liess. Die Hoffnung, diese Leere in mir füllen zu können und das Baby im Arm halten zu dürfen, das wir uns so sehr wünschten.
Für viele war das nicht nachvollziehbar. Sie waren in Sorge und wollten, dass wir uns Zeit nehmen – zum Trauern und zum Heilen. Und das kann ich gut verstehen. Vor Lennis Tod hätte ich anderen genau dasselbe geraten. Aber Logik und Verstand funktionieren anders, wenn das Herz so grosse Sehnsucht hat. Natürlich gibt es Betroffene, die Zeit brauchen, um sich auf eine Folgeschwangerschaft einzulassen und sich das Anfangs überhaupt nicht vorstellen können. Das ist so individuell. Daher sollten wir betroffenen Eltern ihren ganz eigenen Zeitplan zugestehen und sie darin unterstützen, auf ihr Herz zu hören (wenn medizinisch nichts dagegen spricht natürlich).
Ich hatte Glück. Mein Mann stand hinter mir. Nur Stunden nach Lennis Tod sagte er: “Dann kann ich ja jetzt mein Mädchen haben.” Es war absurd in diesem Moment und doch tat es so unendlich gut zu wissen, dass auch er es “nochmal versuchen” wollte.
Ausserdem war da noch meine wundervolle Frauenärztin. Sie erlaubte mir, trotz Kaiserschnitt, nur drei Monate zu warten und das Kind dann “zu mir kommen zu lassen”, wenn mein Körper und meine Seele bereit sind. Es war ein schöner Gedanke, meine Hoffnung in die Hände des Universums zu legen.

Geboren in Liebe und in Trauer

Heute ist es genau zwei Jahre her, dass ich mit Wehen ins Spital gefahren bin. Meinen Verstand so tief nach Innen gekehrt, dass ich mich kaum noch daran erinnere. Es war die einzige Möglichkeit die Angst unter Kontrolle zu bringen. Die Angst, das wir auch dieses Kind nicht mit nach Hause nehmen dürften. Die Angst, das wieder etwas passieren würde, das die Kaiserschnittnarbe reisst und ich oder das Baby sterben würden.
Aber ich erinnere mich genau an die warmen Hände meiner Ärztin. Wie sie vor mir sass und meine Hand hielt. Es waren ihre Ruhe und ihr Urvertrauen in mich und in mein Kind, die mir halfen, mich in mir zu finden und in genau dieser Ruhe und diesem Vertrauen mein kleines Regenbogen-Mädchen auf die Welt zu bringen.
Ihre Geburt war wunderschön und heilsam. Nie habe ich grössere Dankbarkeit, Erleichterung und Liebe gespürt, als in dem Moment, in dem ich sie in meine Arme nahm. Sie halten und bestaunen zu dürfen, erinnerte mich aber auch daran, was ich mit Lennis nicht haben durfte. Die Trauer um ihn war genauso präsent wie die Liebe zu ihr.
2 Jahre ist sie heute alt. Zwei Jahre in denen ich immer wieder zwischen unendlicher Freude und Stolz und tiefster Trauer schwanke. Wenn ich sie anschaue, weiss ich, dass immer einer fehlt. Wenn ich sie anschaue, wird mir bewusst, dass sie nicht hier wäre, wenn Lennis nicht gegangen wäre. Diese Ambivalenz ist nicht immer einfach, aber es ist wie es ist und ich kann es annehmen.
In den letzten zwei Jahren durfte ich lernen, dass Glück und Leid, Liebe und Trauer, nebeneinander und gleichzeitig existieren können. Sie gehören zusammen. Es gäbe sie nicht ohne ihren Gegenpol. Und so ist es völlig okay auch mal traurig zu sein, wenn ich sie anschaue. Mich zu wundern, wie Lennis jetzt aussehen würde, was er schon können würde. Mit dem Wissen, dass es in dieser physischen Welt nur sie oder ihn gäbe. Da ich aber nie eine Wahl hatte, blicke ich sie im gleichen Moment auch mit grösster Liebe, Glück und Dankbarkeit an. Sie ist mein Geschenk von Lennis. Da bin ich fest überzeugt.
Happy Birthday, kleines Regenbogen-Mädchen!
Regenbogen Baby      Rainbow Baby
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2 Kommentare

  1. So wunderschön geschrieben Franzi. Ich finde mich sehr in deinen Worten und kenne die Ambivalenz. Meine jüngste Tochter Finnja gäbe es nicht ohne ihren Himmelbruder Lias – ein riesiges Geschenk dass da zu uns gefunden hat?

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  2. Und das Geschenk steht außer Frage! Das Fragezeichen oben im Kommentar hat sich nämlich irgendwie eingeschlichen ohne dass ich es gedruckt habe

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